Posted on

Anonymous – Warnung aus dem Weißen Haus

Man hätte es wissen können. Daher der Text aus der der ersten Amtszeit zum Nachdenken – aktuell wie damals.

Ein hochrangiger Trump-Mitarbeiter packt aus

Donald Trump missachtet Washingtons Regeln, seit er beim republikanischen Vorwahlkampf 2015 wie eine Bombe einschlug. Seine chaotische Herrschaft begann 2016, als ein denkbar knappes Ergebnis ihn zum Sieg im Präsidentschaftswahlkampf verhalf.

Basierend auf dem Bericht eines anonymen Trump-Mitarbeiters zeichnet dieser Text ein verstörendes Bild der aktuellen US-Regierung, die in persönlichen Fäden und Machtkämpfen versinkt. Das Auge des Sturms bildet der US-Präsident selbst, der mit seinem aggressiven und undurchschaubaren Führungsstil die Grenzen des guten Geschmacks und der Diplomatie immer wieder sprengt. Das ungeheure Ausmaß an persönlichen und politischen Skandalen lässt nur ein Urteil zu. Diese Regierung hat das Potenzial, die Grundfesten der USA ins Wanken zu bringen.

Was ist Trump für eine Mensch

Selbst die erfahrensten Politikprofis scheitern daran, Donald Trumps impulsiven Verhalten Einhalt zu gebieten. Ein sonniger Montag im Dezember 2018. Donald Trump sitzt auf dem Sofa und twittert. Mit ein paar Zeichen lässt er die Welt wissen, dass er sämtliche US-Truppen aus Syrien abziehen wird.

Nicht nur für Millionen seiner Follower sind das unerwartete Nachrichten. Auch sein Planungsstab im US-Verteidigungsministerium erfährt so zum ersten Mal von der neuen außenpolitischen Linie. Mit einem einzigen Tweet setzte der US-Präsident den über Monate erarbeiteten Plan seiner Berater außer Kraft. Für viele seiner Mitarbeiter war das eine gigantische Fehlentscheidung, wie ein hochrangiger Beamter unverhohlen erklärte. Wegen solchem Scheiß werden Menschen sterben. Besonders schockierend ist die Nachricht für Jim Mattis, zu jener Zeit Verteidigungsminister.

Der ehemalige General des Marine Corps wird in verschiedenen politischen Lagern für seinen nüchternen und disziplinierten Führungsstil respektiert. So eine Entscheidung einfach hinzunehmen, verbietet ihm sein Gewissen. Über Nacht legt er sein Amt nieder. Ein solches Manöver ist längst keine Ausnahme mehr. Im Gegenteil. Die Syrien-Tweets begleiten die Trump-Ära seit Anbeginn.

All das, obwohl der Außenseiter und Politikneuling Trump ursprünglich mit einem erfahrenen Beraterstab ins Weiße Haus eingezogen war. Auch seine Minister waren in Washington keine Unbekannten. Diese Gruppe von Beamten, Beratern und Mitarbeitern heißt in Washington Steady State, weil sie unabhängig vom jeweiligen Amtsinhaber alles daransetzen, die Regierung in Gang zu halten. Doch Trumps impulsive Art macht ihnen ihre Arbeit nahezu unmöglich. Selbst die kleinsten Dinge wie etwa ein gewöhnliches Briefing werden durch Trump zur Herausforderung. Normalerweise erhält der Präsident von seinen Mitarbeitern eine Kurzzusammenfassung zu schwierigen Entscheidungen.

Für Donald Trumps Geschmack viel zu langatmig und kompliziert. Wer seine Kernaussage nicht auf einen einzigen Satz oder ein lustiges Bildchen reduziert, wird ignoriert. Wenn der Präsident sich dann doch einmal mit einem Thema beschäftigt, sind seine Lösungsvorschläge entweder nicht umsetzbar oder schlichtweg illegal. Nach Amokläufen an Schulen wollte er Lehrer mit Waffen ausrüsten. In Sachen Immigration schlug er vor, Einwanderer im Hochsicherheitsgefängnis in Guantanamo Bay festzuhalten. Anstatt Politik zu machen, sind seine Berater, die meiste Zeit damit beschäftigt, ihn von dummen Ideen abzuhalten.

Während viele Mitarbeiter aus Frustration die Regierung verlassen, bleiben die Trump-Fans zurück. Da wäre zum Beispiel der politische Berater Stephen Miller, der die gnadenlose Migrationspolitik des Präsidenten befürwortet. Statt dem obersten Mann im Staat Einhalt zu gebieten, verstärkt er Trumps übelste Charakterzüge. Doch wie genau lässt sich dieser Charakter eigentlich beschreiben?

Donald Trumps Charakter macht ihn denkbar ungeeignet für die Rolle des US-Präsidenten. Im Jahr 44 vor Christus legte der römische Staatsmann Cicero in De Officiis die vier Kardinaltugenden eines guten Anführers dar.

Weisheit, Gerechtigkeit, Mut und Besonnenheit.

Einigen Präsidenten in der US-Geschichte fehlten ein oder zwei dieser Qualitäten, doch Trump mangelt es an allen.

Schauen wir uns die vier Tugenden einmal genauer an.

Beginnen wir mit der Weisheit. Ohne jegliche Regierungserfahrung weiß Trump im Grunde kaum, wie ein derart komplizierter Apparat aus Mitarbeitern, Experten und gewählten Vertretern funktioniert. Noch schlimmer ist jedoch sein vollkommenes Desinteresse, es zu lernen. Trotzdem behauptet er gerne, auf Gebieten Experte zu sein, von denen er keinen blassen Schimmer hat. 2015 erklärte er etwa, er wisse mehr über den islamischen Staat als die Generäle, was gelinde gesagt blanker Unsinn ist.

Seinen Mitarbeitern und Beratern ist Trumps Unwissenheit bekannt. Hinter verschlossenen Türen bezeichnen einige von ihnen den Präsidenten als Idioten mit dem Bildungsstand eines Grundschülers. Wie steht es mit der Gerechtigkeit? In einem Wort zusammengefasst, bescheiden. Anstatt mit der Autorität seines Amtes auf Gerechtigkeit zu pochen, benimmt er sich wie ein Rüpel auf dem Pausenhof. So neigt er beispielsweise dazu, sich über La Palien derart aufzuregen, dass sich daraus persönliche Fäden entspinnen.

Egal ob die Premierministerin von Dänemark oder Fußballstar Megan Rapinoe, vor seinen Sticheleien ist niemand sicher.

Auch in puncto Mut macht Trump eine schlechte Figur. Um als junger Mann nicht in die US-Armee eingezogen zu werden, legte er ein sonderbares Attest vor. Angeblich leide er schon seit seiner Jugend an obskuren, knöchernen Sporen, die für Schmerzen in den Gelenken sorgen.

Auch als Präsident ist sein Auftreten alles andere als mutig. Als er seinen Kampf zur Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform verlor, übernahm er für die Niederlage keinerlei Verantwortung.

Im Gegenteil, wie so oft, fand er andere Schuldige. Um Trumps Besonnenheit steht es gleichermaßen desaströs. Das offenbart zum Beispiel sein Umgang mit Frauen. So beleidigt er seine Gegenspielerinnen schon mal als Bimbos und Hunde und selbst seine eigenen Angestellten spricht er respektlos als „Liebchen“ oder „Mäuschen“ an.

Besonders offensichtlich wurde seine Charakterschwäche nach der Neonazi-Demonstration in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia. Anstatt die gewalttätigen Nazis als solche zu verurteilen, nannte er sie sehr gute Menschen. Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl von Beispielen seines Fehlverhaltens. Ein genauerer Blick auf seine Amtszeit fördert jedoch noch sehr viel mehr zutage.

Trump vertritt nicht die Werte, für die seine Partei steht. Laut seinen Kritikern besteht die Kontinuität von Trumps politischen Standpunkten hauptsächlich darin, dass sie sich in einem Tweet zusammenfassen lassen. Alles übrige ist von der Tagesform abhängig.

Tatsächlich findet sich kaum eine Aussage, zu der Trump nicht auch schon die Gegenposition eingenommen hätte. So ist das US-amerikanische Wahlsystem ein Desaster für die Demokratie und zugleich im Grunde genial. Der Krieg in Syrien? Mal ein großartiges Projekt, dann wieder ziemlich dämlich. Trumps Herumgeeiere und seine zusammenhanglose Politik sind das Resultat fehlender Leitlinien. Statt klarer Überzeugungen verfolgt der US-Präsident das Prinzip der Bequemlichkeit.

Was ihm gerade in den Kram passt, wird umgesetzt. Aber sollte uns das wundern bei einem Mann, der bereits fünfmal die Partei gewechselt hat? Führende Politiker seiner Partei, der Republikaner, müssen Trump ständig daran erinnern, welche Gesetzesvorhaben er unterstützen sollte. Dennoch missachtet er permanent die Grundsätze klassischer konservativer Politik, was sich beispielhaft an drei Themen ablesen lässt.

Der Größe seiner Regierung, seiner Verteidigungs- und seiner Wirtschaftspolitik.

Beginnen wir mit der Größe der Regierung

Traditionell setzen sich die Republikaner für minimale staatliche Einmischung ein. Im Klartext heißt das, weniger Staatsausgaben und weniger Regulierung. Zwischen 2009 und 2016 arbeiteten die Demokraten mit Obama daran, das Staatsdefizit von damals 1,4 Billionen US-Dollar auf 500 Milliarden zu reduzieren. Und was macht Trump? Er schmeißt mit Geld nur so um sich. 2019 stellt er seinen neuen Haushaltsplan vor, der Schulden in Rekordhöhe von 22 Billionen US-Dollar vorsieht.

Auch beim Thema Außenpolitik sucht man bei Trump vergeblich nach einer klaren Haltung. Stattdessen trifft er seine Entscheidungen scheinbar nach dem Zufallsprinzip. Schon früh in seiner Amtszeit verprellte er viele Parteigenossen mit dem Vorschlag, sich mit der iranischen Führungsriege zu treffen. Als das iranische Militär dann im Juni 2019 eine US-Drohne abschoss, ordnete der Präsident beinahe einen Raketenschlag an, was einer offiziellen Kriegserklärung gleichgekommen wäre. Einen anderen Krieg hat Trump bereits begonnen, wenn auch keinen militärischen. Der Handelskrieg mit China verweist auf den letzten der drei Punkte, der Wirtschaftspolitik.

Seit eh und je predigt die Republikanische Partei das Credo eines freien Marktes, der sich von selbst regulieren würde.
Das sieht der Präsident offenbar anders und führt munter Strafzölle ein. Experten zufolge könnten die daraus resultierenden höheren Preise die USA in eine erneute Rezession und Krise stürzen. Solch widersprüchliches Verhalten eines Präsidenten ohne Prinzipien lässt die Republikanische Partei schlecht aussehen. Doch wesentlich schlimmer ist, es könnte die Grundpfeiler der Demokratie in den USA aushebeln.

Trump ist sein Machterhalt wichtiger als die Demokratie

Im November 2016 besiegte Trump seine Konkurrentin Hillary Clinton. Für die meisten Politiker wäre der Einzug ins Weiße Haus bereits der Hauptgewinn. Doch für Trump war es nur der Startschuss für seine Machtspiele.

Selbst nach Jahren im Amt ist Trump nach wie vor davon besessen, seine Gegenspieler auszubooten. Diese Obsession ist mitunter so groß, dass er Sitzungen mit seinen Beratern unterbricht, nur um über seine Widersacher herzuziehen, wie etwa im Fall Clinton. Bei einer Gelegenheit wurde auch Generalstaatsanwalt Jeff Sessions zur Zielscheibe des Präsidenten, weil er angeblich den Kandidaten der Demokratischen Partei nicht genügend angegangen sei. Trumps Kommentar dazu? Mann, er ist eine der dämlichsten Kreaturen auf Gottes Erde. Der US-Präsident schreckt auch nicht davor zurück, sein Amt für persönliche Fäden zu missbrauchen.

Im Grunde würde Trump wahrscheinlich lieber wie ein tyrannischer König seines Amtes walten. Die Gründerväter der USA waren autoritäre Herrschaft light und schufen deshalb ein System, in dem die Macht des Präsidenten durch andere Zweige der Regierung kontrolliert und limitiert wird. Trump sieht die Dinge ein wenig anders. Jeder, der sich ihm in den Weg stellt, ist Teil eines verschwörerischen Deep State, der ihn angeblich zu Fall bringen will. Eigentlich verstehen Politikwissenschaftler unter diesem Begriff jene Institutionen und Gremien eines Staates, die weder gewählt noch mit jedem neuen Amtsinhaber ausgewechselt werden. Trump ist jeder, der sich seiner direkten Kontrolle entzieht, ein Dorn im Auge.

Regierungsbeamte, die auf die Einhaltung von Regeln pochen – Deep State. Behörden, die ungemütliche Informationen zutage fördern – Deep State.

Besonders misstrauisch ist Trump gegenüber den Geheimdiensten CIA und NSA. Entweder ignoriert er ihre Berichte, widerspricht ihnen oder verunglimpft die Beamten wie im Januar 2019, als er sie passiv und naiv nannte. Nur ein Bereich des Staatsapparates macht ihn noch wütender – die Justiz. Wenn ein Gericht sich gegen seine Regierung wendet, beschimpft er die Richter als voreingenommen und das Urteil als Schande.

Einmal schlug er sogar ernsthaft vor, das Berufungsgericht des 9. Bezirks einfach aufzulösen, weil ihm dessen Urteile nicht passten. Trump hat sein eigenes Verständnis von Recht und Gesetz. Ein Fall sticht dabei besonders heraus. Ende 2019 soll er laut Medienberichten die ukrainische Regierung unter Druck gesetzt haben, eine Untersuchung gegen den Sohn seines Gegenspielers und ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden einzuleiten.

Das ist nicht nur hinterhältig, sondern schlichtweg illegal. Solche Manöver drohen, die US-Demokratie als Ganzes zu destabilisieren. Und genau das würde Trump gefallen.

Trumps Rüpelhaftigkeit und diplomatisches Unvermögen gefährden die Stellung der USA in der Welt. Im Juni 2018 trafen sich die Staatsoberhäupter Frankreichs, Deutschlands und anderer führender Industrienationen in Kanada zum G7-Wirtschaftsgipfel. Eigentlich dienen solche Treffen einem klaren Ziel, die internationale Zusammenarbeit auszubauen und Allianzen zu formen. Doch Trump hatte seine eigene Agenda.

Er hatte noch ein paar Hühnchen zu rupfen.

Nach seiner wohlgemerkt verspäteten Landung in Kanada warf er erst einmal mit Süßigkeiten nach Angela Merkel, nur um im Anschluss den japanischen Premierminister Shinzo Abe zu beleidigen. Die USA könnten mexikanische Einwanderer nach Japan bringen, scherzte Trump.

Selbst der Gastgeber und kanadische Premierminister Justin Trudeau blieb von Trumps Attacken nicht verschont, sondern musste sich anhören, dass er unehrlich und schwach sei. Hätte irgendein anderes Staatsoberhaupt so ein Verhalten an den Tag gelegt, wäre die Welt schockiert gewesen. Doch bei Trump gehören derartige diplomatische Ausfälle inzwischen fest zum Programm.

Wenn es um Außenpolitik geht, macht er es sich mit Despoten gemütlich und stößt seine demokratischen Partner vor den Kopf. Trumps berühmter Wahlspruch war „America First“.

Doch anstatt dieses vage Versprechen einzulösen und die Interessen der USA zu vertreten, scheint es Trump vor allem auf eines anzulegen – unberechenbar zu sein. Bisher waren Trumps Ausflüge in die internationale Politik ein Totalausfall. Er droht, sich aus bestehenden Handelsabkommen zurückzuziehen und beleidigt Staatsoberhäupter via Twitter. Mitarbeiter, die bei seinen Anrufen mithörten, berichten davon, wie Trump prallt, vom Thema abkommt und sich – im Normalfall – zum Affen macht.

Despoten und Diktatoren scheinen die einzigen Staatsoberhäupter zu sein, mit denen er gut auskommt. So lobte er den brutalen Präsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte, für dessen harten Kurs und unglaublichen Erfolg. Auch den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un bezeichnete er anerkennt als ziemlich cleveres Kerlchen. Eine der verstörenden Freundschaften des US-Präsidenten ist die zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Während seine eigenen Berater ihn vor Putins skrupellosen Einmischungen in den US-Wahlkampf warnen, geht Trump unbeirrt weiter auf Putin zu. 2018 arrangierte er sogar ein zweistündiges privates Treffen mit dem Präsidenten aus Moskau – entgegen der dringenden Empfehlung seiner Berater.

Doch weshalb verehrt Trump diese autoritären Strippenzieher? Laut einem seiner Spitzenberater will Trump, was sie haben. Totale Macht, ohne die zeitliche Begrenzung durch Amtsperioden, erzwungene Popularität und die Fähigkeit, Kritiker ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen.

Trumps aggressiver Kommunikationsstil ist eine Gefahr für die Demokratie

Die Worte eines Präsidenten haben viel Gewicht. Abraham Lincolns Rede in Gettysburg prägt bis heute das Selbstverständnis der USA, obwohl seitdem fast 250 Jahre vergangen sind. Franklin D. Roosevelt führte Gesprächsrunden am Kamin, denen eine ganze Nation lauschte.

Trumps Repertoire hört sich dagegen so an: Fake News, fiese Frauen, alternative Fakten.

Wie ein Präsident spricht, hat weitreichende Folgen. Es prägt die Art, wie Politiker und ganz normale Bürger miteinander umgehen. Die Vorliebe des aktuellen Präsidenten für aufwieglerische Sprache schadet also nicht nur seinem Amt, sondern der gesamten Nation. Politiker müssen mit ihren Rivalen reden, selbst wenn man entgegengesetzte Positionen vertritt.

So erzielt man Kompromisse. Doch Trump fehlt selbst ein Mindestmaß an Höflichkeit, das es zum Regieren braucht. Statt sich mit Gegnern auseinanderzusetzen, beleidigt er sie und zielt dabei auch unter die Gürtellinie. Von niedrigem IQ bis zu mangelndem Testosteron war schon alles dabei. Nehmen wir zum Beispiel eine Auseinandersetzung zwischen Trump und den demokratischen Senatoren Nancy Pelosi und Chuck Schumer. Eigentlich ging es um eine parteiübergreifende Gesetzesinitiative, die Investitionen in Brücken und Straßen vorsah.

Anstatt ruhig und sachlich zu verhandeln, erging sich Trump in einer hitzigen Tirade über unzusammenhängende Angelegenheiten. Das Treffen endete nach wenigen Minuten, ohne dass man beim Thema Infrastruktur auch nur einen Schritt weitergekommen wäre. Noch schlimmer ist jedoch Trumps Unehrlichkeit. Die Wahrheit ist für ihn nur schönes Beiwerk. Er erfindet, lügt und schreibt gelegentlich die Geschichte der USA um. Als er behauptete, die anderen NATO-Mitglieder zu höheren Verteidigungsausgaben gezwungen zu haben, war das eine Lüge.

Als er darauf beharrte, dass die Kriminalitätsrate vor seinem Amtsantritt so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der USA gewesen sei, entsprach auch das nicht der Wahrheit.

Tatsächlich fand die Washington Post heraus, dass der Präsident seit seinem Amtsantritt im Weißen Haus an die 11.000 irreführenden Aussagen gemacht hat.

Trumps verbale Angriffe auf Wahrheit und Anstand spalten die USA immer weiter. Um zu verstehen, warum, braucht man sich nur eine x-beliebige Trump-Kundgebung anzuschauen. Der Präsident genießt ganz offensichtlich die aggressive Stimmung der Menschenmenge und befeuert sie noch, indem er Anti-Clinton-Gesänge wie „Sperrt sie ein“ anstimmt. Ob durch Kundgebungen oder Tweets, Trump liebt es zu zündeln.

Die Auswirkungen sind dramatisch. Laut Umfrage eines großen Meinungsforschungsinstituts empfinden 85 Prozent der US-Amerikaner die politische Debatte im Vergleich zu früher als negativ aufgeheizt. Und wenn Worte versagen, steht die Demokratie am Abgrund.

Die Republikaner können entweder ihren Prinzipien oder Trump gegenüber loyal sein. Beides geht nicht. Bei den Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl 2016 waren 17 Republikaner angetreten. Hätte man damals jemanden aus der Parteispitze gefragt, wäre Trump wohl ihre 17. Wahl gewesen.

Er galt als Scherzkandidat. Inzwischen lacht jedoch keiner mehr. Was ist also passiert?

Nach Trumps unerwartetem Sieg in der Wahlnacht richteten sich die meisten Republikaner in Windeseile neu aus. Viele, die Trump zuvor kritisiert hatten, wurden praktisch über Nacht zu seinen treuesten Verbündeten. Senator Ted Cruz, der Trump noch wenige Wochen zuvor als absolut unmoralisch bezeichnet hatte, nannte ihn nun mutig und kühn.

Der republikanische Abgeordnete des Bundesstaates South Carolina, Mick Mulvaney, sagte während des Wahlkampfes, Trump sei einer der schlechtesten Menschen, die jemals für das Amt kandidiert haben. Mittlerweile ist er Trumps dritter Stabschef.

Diese 180-Grad-Wendungen sind nicht nur peinlich, sie sind auch verstörend. Immer mehr Republikaner werden zu Trump-Aposteln, und nur wenige haben den Mut, sich ihm entgegenzustellen. Doch wer sind diese Wendehälse? Im Grunde fallen sie in zwei Kategorien – die Schmeichler und die schweigenden Mitläufer.

Die Schmeichler sind leidenschaftliche Trump-Fans. Sie sind von der Unfehlbarkeit des Präsidenten überzeugt. Sie sind die Helfer, die in Talkshows und Sendungen auftreten, um selbst die schlimmsten Fehler Trumps als beachtliche Erfolge zu verkaufen. Wer ihnen zuschaut, erkennt schnell, dass sie schlichtweg wahnsinnig sind. Zum Glück sind es wenige. Die andere Gruppe, die schweigenden Mitläufer, ist weitaus größer.

Sie wissen, dass Trump eine Katastrophe ist. Doch sie halten sich zurück und arbeiten weiter für ihn, um ihre eigene Macht im System nicht zu gefährden. Dafür sind sie auch bereit, ihre eigenen Werte zu verraten. Das bedeutet, dass sie die Füße stillhalten, während der Präsident seines Amtes waltet und verheerende Entscheidungen trifft.

2018 hat Trump beispielsweise die Bundesregierung stillgelegt, in dem vergeblichen Versuch, Geld für seine Grenzmauer zu Mexiko zu erpressen. Die meisten seiner Mitarbeiter und Kollegen wussten, dass die Idee hirnrissig war.

Doch sie haben den Mund gehalten. Lieber nahm sie den Stillstand in Kauf, als den Oberbefehlshaber zu verärgern. Ein Mitarbeiter drückte es so aus. Dieser Ort ist so beschissen, dass hier buchstäblich niemand das Sagen hat. Diejenigen, die sich dann doch irgendwann gegen Trump wenden, bekommen dessen Zorn zu spüren. Da wäre zum Beispiel Steve Bannon, einst Trumps engster Berater.

Das schützte ihn jedoch nicht davor, hochkant aus dem Weißen Haus zu fliegen, als er es wagte, eine abweichende Meinung zu vertreten. Doch wenn die Regierungsvertreter sich nicht gegen Trump auflehnen, wer soll es dann tun? Wenn das Volk der USA Trump stoppen will, gibt es nur eine Möglichkeit. Es muss selbst aktiv werden.

Der Wahlzettel ist das beste Mittel, um Trump loszuwerden

Für viele US-Amerikaner steht fest. Je eher die Ära Trump endet, desto besser. Sogar ein Großteil derjenigen, die unter ihm im Weißen Haus arbeiten, haben bereits Schritte erwogen, um den Präsidenten auszuhebeln.

Wie kann das gelingen?

Es ist eine knifflige Angelegenheit, doch tatsächlich verfügt die Verfassung der USA über einen solchen Notausgang. Dort steht im Anhang des 25. Zusatzartikels, dass Kabinettsmitglieder einen Präsidenten des Amtes entheben können, wenn sie ihn für untauglich halten. Sollte das passieren, würde Vizepräsident Mike Pence zum Oberbefehlshaber. Zwar gibt es offiziell keine Diskussion darüber, den 25. Zusatzartikel zu nutzen, doch die Gerüchteküche brodelt. Angeblich haben hochrangige Mitarbeiter des Präsidenten längst informelle Listen angelegt, um im Falle des Falles zu wissen, wer auf welcher Seite steht.

Einige spekulieren sogar, dass Pence selbst zustimmen würde. Letztlich ist das Verfahren aber äußerst riskant. Ein solcher Schritt würde die Regierungsgeschäfte wochenlang lahmlegen. Zudem ist es wenig wahrscheinlich, dass Trump sein Amt kampflos aufgeben würde. Seine Unterstützer könnten zu gewalttätigen Mitteln greifen. Dieselben Bedenken gelten auch für ein reguläres Amtsenthebungsverfahren.

Zum Glück verfügt die US-amerikanische Demokratie über ein anderes sehr effektives Instrument, um ungewollte Anführer loszuwerden. Wahlen. Wenn die US-Bürger wirklich unzufrieden mit ihrem Präsidenten sind, haben sie die Pflicht, ihre Stimme abzugeben. 2020 haben sie erneut die Chance dazu. Bei der anstehenden Präsidentschaftswahl muss sich das US-amerikanische Volk folgende Fragen stellen. Spiegelt Trump ihre Werte wider?

Ist ein Mann mit diesem Temperament wirklich für das höchste Amt geeignet? Kann die Nation weitere vier Jahre Chaosherrschaft vertragen? Die Antwort auf all diese Fragen lautet Nein. Den Republikanern kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Sie müssen sich zwischen Trump und einem demokratischen Kandidaten entscheiden. Wie die Entscheidung beim letzten Mal ausging, ist bekannt.

Doch mittlerweile sollte ihnen klar sein, dass sie die falsche Wahl getroffen haben. Wer sich als Republikaner versteht und dieses Mal gegen Trump stimmt, kann bei künftigen Wahlen immer noch für einen respektableren republikanischen Kandidaten stimmen. Sollte Trump die Wiederwahl gelingen, geht das Chaos in die zweite Runde. Es ist nicht absehbar, welche Katastrophen und Unruhen uns dann erwarten.

Eine Sache ist jedoch gewiss. Was auch immer geschieht, liegt in Händen des US-amerikanischen Volkes. Drücken wir die Daumen, dass es seine Wahl mit Bedacht trifft.

Die Kernaussage des Textes ist, dass Donald Trump für das Amt des Präsidenten so ungeeignet ist, wie kaum ein anderer. Seine dreiste Art und prinzipienlose Politik führen zu Instabilität und Chaos.

Die wenigen Mitarbeiter, die ihm gelegentlich noch Einhalt gebieten, werden immer rarer und verlieren an Einfluss. Im Falle einer zweiten Amtszeit könnte Trumps Präsidentschaft die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben und die Nation in eine autoritäre Herrschaft stürzen.


Quelle: https://www.blinkist.com/en/app/books/warnung-aus-dem-weissen-haus-de

Zu dem vorhergehenden Text möchte ich dem Leser auch folgende Erkenntnisse nicht vorenthalten:

Steven Levitsky & Daniel Ziblatt

Wie Demokratien sterben und was wir dagegen tun können

Seit Immobilien-Mogul und TV-Phänomen Donald J. Trump 2016 überraschend die Präsidentschaftswahl der USA gewann, wird die Welt täglich mit neuen und ungewöhnlichen staatsmännischen Gebärden konfrontiert. Was für die einen der frische Wind ist, den der miefige Klüngel in Washington bitter nötig hatte, sind für andere alarmierende Vorboten autokratischer Machtgier, die die Demokratie gefährdet.

Dieser Text nimmt Trumps Verhalten daher ganz genau unter die Lupe. Sie ziehen beeindruckende Parallelen zu der Geschichte mehrerer Staaten wie Chile, Peru oder Venezuela, in denen der Aufstieg eines populistischen Demagogen schließlich die Demokratie stürzte. Und sie erklären, welche demokratischen Normen und Traditionen wir schützen müssen, um unsere Demokratien vor dem Verfall zu bewahren.

Moderne Demagogen sind schwer zu erkennen

Früher war der Untergang einer Demokratie einfach zu erkennen. Als Salvador Allende, der erste demokratisch gewählte sozialistische Präsident Chiles, 1973 vom Militär unter General Augusto Pinochet gestürzt wurde, rollten schwere Panzer auf den Präsidentenpalast zu. Wenig später stand der Regierungssitz in Flammen. Der Präsident war tot.

Heutzutage verläuft der Aufstieg von Demagogen und Autokraten wesentlich unauffälliger. Dabei sind aber gewisse Muster erkennbar. In vielen Ländern versucht ein strauchelndes politisches Establishment, den Machtverlust mit der Unterstützung eines populistischen Außenseiters abzuwenden. Diese Outsider sind meist erklärte Systemgegner, die sich weit entfernt von der politischen Mitte als Stimme des ungehörten und unzufriedenen Volkes inszenieren. Fast immer denkt die strauchelnde Partei, sie könne das Ungestüm des Außenseiters im Zaum halten und zu ihrem Vorteil nutzen. Und fast immer greift der Außenseiter selbst nach der Macht, wenn man ihm einmal die Türe öffnet.

Genau das geschah in Deutschland mit Adolf Hitler. Die Regierung zerbrach im März 1930 an den Folgen der großen Depression. Es folgten fast vier Jahre politischen Stillstands, in denen Reichspräsident von Hindenburg einen glücklosen Kanzler nach dem anderen ernannte. Damit endlich etwas geschehen würde, ernannten die rechtskonservativen alten Herren im Januar 1933 mit Hitler einen populären Außenseiter zum Reichskanzler. Sie wollten von seiner Beliebtheit profitieren und glaubten, ihn kontrollieren zu können. Zwei Monate später setzte Hitler die Opposition aus und wurde zum Alleinherrscher und Führer.

Der Rest ist grauenvolle Geschichte. Wie also kann man heute einen potenziell gefährlichen Demagogen erkennen?

Levitsky und Ziblatt haben eine Art Frühwarnsystem oder Lackmustest für „Autokraten in spe“ zusammengestellt:

  1. Autokraten lehnen die Regeln der Demokratie offen oder durch ihr Handeln ab. Sie bestreiten die Legitimität regulärer Wahlen oder stellen die Aufhebung der Verfassung als notwendig dar.
  2. Sie leugnen die Legitimität ihrer politischen Gegner, indem sie sie offen als Kriminelle verunglimpfen oder haltlos als Gefahr für die bestehende Ordnung diskreditieren.
  1. Sie tolerieren Gewalt oder rufen gar offen dazu auf. Sie billigen Gewalttaten, stacheln dazu an und haben in manchen Fällen gar selbst Verbindungen zum organisierten Verbrechen.
  1. Sie befürworten eine Beschneidung der Rechte der Medien und oder ihrer politischen Gegner. Dabei heißen sie offen gut, wenn andere Regierungen zum Beispiel das Versammlungsrecht oder die Meinungsfreiheit einschränken. Ein Politiker, der eines oder mehrere dieser Kriterien erfüllt, ist noch nicht automatisch ein Autokrat. Er gibt allerdings allen Anlass zur Sorge.

Eine Demokratie braucht eine aufmerksame Garde von Wächtern

In einer gesunden Demokratie sind die etablierten politischen Parteien so etwas wie die Wächter der demokratischen Ordnung. Sie entscheiden, wer in den politischen Mainstream vordringt und das Volk vertreten darf.

Was passiert, wenn sie diese Verantwortung vernachlässigen, zeigt der Aufstieg von Venezuelas Ex-Machthaber Hugo Chavez. Chavez war als Extremist und Populist bekannt und eine offenkundige Gefahr für die Demokratie. Nach dem von ihm orchestrierten und gescheiterten Putschversuch gegen die Mitte-Links-Regierung der Demokratischen Aktion (AD), saß er 1992 wegen Hochverrats in Haft.
Als er die Anhänger der Putschisten aus dem Gefängnis zum Waffenstillstand aufforderte, erlangte er vor allem bei den ärmeren Bevölkerungsgruppen Venezuelas Heldenstatus. Da sah der alternde Ex-Präsident Rafael Caldera von der konservativen Christlich-Sozialen Partei (COPI), seine Chance auf ein Comeback. Er sympathisierte offen mit den Zielen der Putschisten und erklärte sein Verständnis dafür, dass sich die Menschen gegen Armut und Korruption auflehnten.

Der unerwartete Imagewechsel katapultierte seine Karriere aus dem Koma und brachte ihm mit den Stimmen der systemverdrossenen Opposition 1993 den Wahlsieg ein. Gleichzeitig ebnete er Chavez den Weg in die politische Mitte der Gesellschaft. Als Caldera 1994 dann sogar sein Wahlversprechen einlöste und alle Anklagen gegen Chavez fallen ließ, wurde Chavez endgültig zum Volksheld.

Schon bei den nächsten Wahlen im Jahr 1998 kam er in einem Erdrutschsieg an die Macht. Somit hatte Caldera Chavez buchstäblich die Tür geöffnet. Raus aus dem Kittchen und rein ins politische Establishment.

Es folgte die kontinuierliche Demontage der Demokratie in Venezuela. Von der Besetzung des Obersten Gerichtshofs mit Verbündeten ab 2004 über das Verbot eines privaten TV-Senders und die Vertreibung oder Inhaftierung politischer Gegner bis zur Aushebelung des Parlaments durch die Ein-Parteien-Versammlung unter Venezuelas neuem Präsidenten Nicolas Maduro 2017.
Gute Wächter dagegen schützen die Demokratie vor radikalen Kräften. Eine drastische, aber effektive Methode ist der kompromisslose Ausschluss von Extremisten.

1933 zum Beispiel reagierte der nationalkonservative Allgemeine Wahlmännerbund, AVF, in Schweden auf die faschistische Radikalisierung seiner Jugendgruppe mit dem Rauswurf von 25.000 Mitgliedern.
Der Schritt kostete die Partei bei den Kommunalwahlen 1934 viele Stimmen, schützte die schwedische Demokratie aber langfristig vor antidemokratischen Einflüssen. Wir halten fest, wer die Demokratie im Land schützen will, vermeidet Bündnisse mit extremistischen Parteien oder Akteuren.

In den USA leisteten die Wächter der Demokratie lange Zeit gute Arbeit.

Allein in den 1930er Jahren gab es in den USA 800 aktive rechtsradikale Gruppierungen. Keine von ihnen kam jemals zu politischer Macht, weil das politische Establishment seine Wächterfunktion als Gatekeeper der Demokratie ernst nahm. Vom frühen 19. Jahrhundert an waren die großen Parteien in den USA selbst für die Ernennung ihrer Präsidentschaftskandidaten verantwortlich.

Die Altherrenriege an den Parteispitzen steckte in verqualmten Hinterzimmern die kahlen Köpfe zusammen und entschied, wer die Interessen der Partei am besten verträte. Und genau darin bestand die Wächterfunktion. Wer es zum Präsidentschaftskandidaten bringen wollte, brauchte den Ritterschlag des Establishments. In den 1920er Jahren zum Beispiel entstand ein regelrechter Hype um eine mögliche Kandidatur des Autobauers Henry Ford. Ford war das Paradebeispiel für einen amerikanischen Selfmademan und ein Populist vor dem Herrn, der unter anderem von Hitler und SS-Oberhaupt Himmler verehrt wurde. Die Parteiführung der Republikaner aber hielt ihn für untauglich und Ford bekam nie einen Fuß in die Tür.

Irgendwann aber wurde die Luft in den verqualmten Hinterzimmern zu stickig. Die Wächter übergingen in ihrem Gemauschel die Meinung des Volkes und trafen die falschen Entscheidungen. Bis ihnen 1968 mitten im Vietnamkrieg die Zügel entglitten. Als die Demokraten den unpopulären Vizepräsidenten Hubert Humphrey ohne die Zustimmung der Parteibasis oder der Wähler als Präsidentschaftskandidaten nominierten, kippte die Stimmung. Die Bevölkerung ließ ihrem Unmut in blutigen Protesten freien Lauf und stürmte beinahe das Tagungszentrum des Parteikongresses in Chicago. Irgendetwas musste passieren.

Nach Humphreys Wahlniederlage 1968 beauftragten die Demokraten die McGovern-Fraser-Commission mit der Durchführung tiefgreifender Reformen. Eine der ersten Veränderungen war die Einführung verbindlicher Vorwahlen.
Die Delegierten, die später den Präsidentschaftskandidaten wählen würden, mussten sich nun selber in Vorwahlen dem Votum der Parteibasis stellen. Damit waren die Tage gezählt, in denen die betagten Köpfe der Partei hinter verschlossenen Türen allein entschieden.
Das führte zweifelsohne zu mehr demokratischer Mitbestimmung. Es eröffnete allerdings auch erstmals die Möglichkeit, die Wächter zu umgehen.

Donald Trumps Alleingang vorbei an den Wächtern der Demokratie gibt allen Anlass zur Sorge. Am Anfang nahm ihn niemand ernst. Als Donald J. Trump am 15. Juni 2015 seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gab, galt das rund um den Globus als Versuch, sich selbst in noch größerem und hellerem Scheinwerferlicht zu vermarkten. Und doch gelang es Trump, eine Reihe von Wächtern nach der anderen zu umgehen.

Viele Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur werben noch vor den eigentlichen Vorwahlen in sogenannten unsichtbaren Vorwahlen, um die Unterstützung etablierter Partei-Recken. Trump scheiterte auf ganzer Linie und hatte vor den ersten Vorwahlen nicht einen einzigen gestandenen Republikaner hinter sich.
Trump hatte dafür zwei andere Waffen im Halfter. Ein gigantisches Privatvermögen, mit dem er seine Kampagne finanzieren konnte und eine nicht minder große mediale Aufmerksamkeit. Befeuert durch provokante Kontroversen wie seinen Vorschlag, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten und seinen Status als Immobilienmogul und omnipräsente Medienfigur. Kurzum, er brauchte die Unterstützung der alten Regel nicht.

Im Februar 2016 gewann er die Vorwahlen in New Hampshire und South Carolina und erhielt im Anschluss die erste republikanische Rückendeckung von den Kongressmitgliedern Duncan Hunter und Chris Collins.
Besorgniserregend daran war, dass Trump bereits damals alle vier Kriterien unseres Lackmustests für Demagogen erfüllte:

Erstens, er hinterfragte offen die Regeln der Demokratie und behauptete wiederholt, der Ausgang der bevorstehenden Wahlen würde zu seinen Ungunsten manipuliert werden.

Zweitens, er leugnete die Legitimität seiner Widersacherin Hillary Clinton, bezeichnete sie als Kriminelle und behauptete, sie gehöre hinter Gitter.

Drittens, er billigte Gewalt und stachelte die Massen wiederholt zu aggressivem Verhalten an. Viertens, er drohte unverhohlen damit, die Freiheit der Medien zu beschränken und die Gesetzgebung gegen Verleumdung zu stärken.

Aber der Großteil der Wächter hüllte sich im Schweigen. Zwar bekannten sich 78 gestandene Republikaner, darunter ehemalige Amtsträger oder bekannte Unternehmer, öffentlich zu Hillary Clinton. Aber nur einer von ihnen war aktuell gewählter Volksvertreter. Und selbst der, Kongressmitglied Richard Hanna aus New York, stand kurz vor der Rente.
Viele der führenden Republikaner, wie Senator John McCain oder Mitt Romney, weigerten sich zwar, Trump zu unterstützen, aber keiner von ihnen rang sich zu der wirklich wichtigen Entscheidung durch, sich zu Hillary Clinton zu bekennen. Ihre Tatenlosigkeit öffnete Donald Trump die Tür ins politische Establishment.

Die Demontage der Demokratie ist ein schleichender Vorgang

Nicht alle Autokraten treten mit dem erklärten Ziel an, die Demokratie zu unterwandern. Viele Autokratien sind das traurige Ergebnis einer langen Reihe undemokratischer Aktionen und Reaktionen. Alberto Fujimori zum Beispiel hatte nicht vor, peruanischer Diktator zu werden.

Der Universitätsdirektor japanischer Abstammung trat 1990 mit dem hehren Vorsatz an, das Land durch tiefgreifende Wirtschaftsreformen zu retten. Nach seiner überraschenden Wahl zum Präsidenten, wollte er seine Gesetzesvorhaben anfangs auf legalem Wege durch den Kongress bringen.
Doch als das Abgeordnetenhaus monatelang alle seine Pläne blockierte, legte Fujimori härtere Bandagen an. Er bezeichnete die Kongressführer als unproduktive Scharlatane und überging die Justiz mit der Entscheidung, tausende Kleinkriminelle zu entlassen, um in den Gefängnissen Platz für linke Terroristen zu schaffen.
Spätestens als er am 5. April 1992 den Kongress auflöste und die Verfassung aussetzte, war klar, dass er zum Diktator geworden war. Die Demontage einer Demokratie verläuft nahezu immer in denselben drei Phasen.

Der Gleichschaltung der Schiedsrichter, der Ausschaltung von Schlüsselspielern und willkürlichen Regeländerungen. Stell dir der Anschaulichkeit halber vor, du würdest ein Fußballspiel mit aller Macht und Gewalt zu deinen Gunsten beeinflussen.

Im ersten Schritt der Gleichschaltung der Schiedsrichter würdest du die Schiedsrichter so beeinflussen, dass sie immer zu deinem Vorteil entscheiden. In der Politik erreicht man das, indem man Kritiker in wichtigen Institutionen feuert und durch loyale Anhänger ersetzt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zum Beispiel besetzte nach seiner Rückkehr ins Amt lauter an sich unabhängige Behörden wie das Verfassungsgericht und das Zentrale Amt für Statistik mit Gehörigen getreuen.

Im zweiten Schritt schaltest du die Schlüsselspieler der Opposition am effektivsten durch Bestechung oder Erpressung aus. Fujimoris Geheimdienstberater Wladimiro Montesinos zum Beispiel ließ regierungskritische Richter, Politiker und sonstige Akteure im großen Stil überwachen. Wann immer seine Spitzel einen von ihnen bei Fehltritten wie dem Empfang von Schmiergeldern oder Bordellbesuchen filmten, verwendete er das Videomaterial zur Bestechung.

Drittens: Langfristig versuchen alle Autokraten an der Macht zu bleiben, indem sie die Regeln zu ihren Zwecken ändern.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA gestand der Reconstruction Act von 1867 den Afroamerikanern in den Südstaaten endlich das Wahlrecht zu. Die schwarze Bevölkerung wählte allerdings mit großer Mehrheit die damals progressiveren Republikaner. Die Demokraten im Süden fürchteten um ihre Macht und änderten die Regeln. Sie führten eine Zollsteuer ein und machten die Stimmzettel für Analphabeten so gut wie unverständlich. Das grenzte einen Großteil der afroamerikanischen Wählerschaft aus und konsolidierte die Macht der Demokraten im Süden für viele Jahrzehnte. Es war zugleich ein feiger Faustschlag ins Gesicht der Demokratie.

Der Kampf gegen Demagogen beruht auf der Einhaltung demokratischer Normen.

Die Verfassung der USA ist zweifelsohne ein großartiges Schriftstück. Sie ist allerdings beileibe nicht makellos. Sie bietet zum Beispiel wenig rechtliche Grundlage, um wichtige unabhängige Institutionen wie das FBI vor einer willkürlichen Neubesetzung durch einen Präsidenten zu schützen.

Und sie lässt Präsidenten den Freiraum nach Lust und Laune mit Dekreten und Erlässen zu regieren. Die bisherigen Beispiele zeigen, dass demokratische und rechtsstaatliche Regeln allein keine Garantie für die Unversehrtheit der Demokratie sind. Es braucht zusätzlich bestimmte demokratische Werte und Normen und das ungeschriebene Gesetz, sich zwischen allen politischen Akteuren an einen demokratischen Wertekanon zu halten. Zwei dieser fundamentalen demokratischen Werte sind gegenseitige Achtung und institutionelle Zurückhaltung. Gegenseitige Achtung bedeutet, dass man politischen Widersachern aller Rivalität zum Trotz das gleiche Recht auf demokratische Macht zugesteht, sie also nicht als Staatsfeinde, Verräter oder Kriminelle diffamiert. Institutionelle Zurückhaltung meint, dass man im Zweifelsfall auf durchaus legitime Handlungen verzichtet, wenn diese die Demokratie gefährden würden.

Ein Paradebeispiel ist George Washingtons Entscheidung, als erster Präsident der jungen USA nicht länger als zwei Amtszeiten zu regieren. Diese Tradition hielt bis 1940 an, als Franklin D. Roosevelt für eine dritte Amtszeit kandidierte. Die Reaktion auf diesen Bruch war das 22. Amendment, das die Amtszeit eines Präsidenten offiziell auf zwei Legislaturperioden beschränkte. Sobald eine dieser beiden Normen missachtet wird, ist die Demokratie in Gefahr. Sobald zum Beispiel die gegenseitige Achtung schwindet, schöpfen politische Führer ihren institutionellen Handlungsspielraum skrupelloser aus, um ihre Gegner zu schwächen. Das wiederum führt zu einer weiteren Verrohung der demokratischen Sitten, und so weiter.

Wie weit sich diese Spirale drehen kann, zeigt erneut das Beispiel Chile. Im Schlagschatten des Kalten Krieges spitzte sich die Polarisierung zwischen linken und rechten Kräften in den 1960er Jahren dramatisch zu. Die Sozialisten geißelten die Konservativen als gestrig und überholt. Die Rechte fürchtete sich entsprechend vor einer Machtübernahme der Linken. Als die gegenseitige Achtung zerbrach, gerieten die Dinge außer Kontrolle. Der 1970 gewählte Präsident Allende drohte mit neuen Gesetzen marxistischer Prägung.

Die rechte Opposition schwor, sie mit ihrer parlamentarischen Mehrheit gnadenlos zu sabotieren. Als die Abgeordnetenkammer die Regierung Allende im August 1973 für verfassungswidrig erklärte, entlud sich die Spannung. Einen Monat später stürmte das Militär den Präsidentenpalast, und Allende nahm sich das Leben. Die undemokratische und brutale Militärdiktatur hielt das Land die nächsten 17 Jahre lang in eiserner Hand.

Die Einhaltung demokratischer Normen ging im Laufe der US-Geschichte lange zu Lasten der afroamerikanischen Bevölkerung

In den 1850er Jahren drohte der Streit um die Zukunft der Sklavenhaltung die USA zu zerreißen. Die neu gegründete Republikanische Partei forderte ihre Abschaffung.

Die Polarisierung der politischen Landschaft führte zu einem dramatischen Verfall der gegenseitigen Achtung. Allein zwischen 1830 und 1860 wurden im US-Kongress 125 Gewalttaten gemeldet, von Messerstechereien bis zu vorgehaltenen Pistolen.

Im Februar 1860 wurde der US-Kongress in Berlin, in der Stadt von Berlin, zu einer eigenmächtigen Abspaltung von sieben demokratischen Südstaaten, die an der Sklavenhaltung festhielten.
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs war die US-Demokratie endgültig am Boden. Zwölf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs schlossen die besiegten Demokraten und die abolitionistischen Republikaner die demokratische Demokratie. Im Gegenzug für den Abzug der Bundestruppen aus den Südstaaten willigten die Demokraten ein, den Republikaner Rutherford B. Hayes zum Präsidenten zu wählen.
Im Anschluss konnten die Demokraten in den Südstaaten ihre Dominanz aufrechterhalten, indem sie die schwarze Bevölkerung durch teure Wahlsteuern und komplizierte Wahlvorgänge daran hinderten, dass sie sich nicht mehr mit der politischen Situation in den USA befinden.
Das Bundeswahlgesetz von 1890 wollte diese Missstände korrigieren, scheiterte aber am Widerstand der Demokraten.

Es war ein weiterer bitterer Tag für die demokratischen Grundrechte der afroamerikanischen Bevölkerung. Es grenzt an Zynismus, dass diese zutiefst ungerechten Entwicklungen einen neuen demokratischen Geist zwischen den verfeindeten Parteien förderte. Die Demokraten im Süden fühlten sich weniger in ihrer Existenz bedroht und wurden toleranter gegenüber ihren republikanischen Rivalen. Als konservative Kräfte innerhalb der demokratischen Partei hatten sie ohnehin viel gemeinsam mit den Republikanern und wurden zu Zwischenhändlern und Vermittlern zwischen den Parteien.

Diese Überparteilichkeit stärkte die Demokratie in den USA, und sie förderte bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Kultur konstruktiver Kritik und Kooperation. Der Preis dafür war allerdings die anhaltende Beschneidung der Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung.
Kein Wunder also, dass sich diese Spannung in den Bürgerrechtsbewegungen von 1964 und 1965 entlud und die US-Demokratie in den USA nicht mehr so stark verhalten wurde.

Aggressives politisches Vorgehen und die Teilung entlang ethnischer Grenzen spalteten die US-Bevölkerung des späten 20. Jahrhunderts

Als Präsident Barack Obama 2016 den Nachfolger für den verstorbenen Bundesrichter Antonin Scalia vorschlug, schlossen sich die meisten der Republikaner in den USA in einem nie dagewesenen Boykott zusammen. Dieser ungewöhnlich radikale Affront war nur die Spitze eines Eisbergs, der die Betriebstemperatur in Washington auf ein Rekordniveau heruntergekühlt hatte. Wie konnte es so weit kommen?

1979 brachte der republikanische Kongressabgeordnete Newt Gingrich aus Georgia geradezu martialische Bewegungen gegen den US-Bundesstaat. Er attackierte seine Widerredner regelmäßig mit scharfer und kampfeslustiger Rhetorik, zweifelte an ihrem Patriotismus oder verglich sie mit dem italienischen Diktator Benito Mussolini.
Das von ihm und seinen Verbündeten gegründete politische Aktionskomitee GOPAC wollte diese Kampfstrategien innerhalb der gesamten republikanischen Partei salonfähig machen.
Dass das geklappt hat, zeigt unter anderem Gingrich als eine gute Bewegung. Seitdem haben die Republikaner die obligatorischen Haushaltsverhandlungen mit demokratischen Regierungen wiederholt auf Gedeih und Verderb platzen lassen. Das führte mehrmals zum kompletten Stillstand der Regierungstätigkeiten: 1995 an fünf und 1996 gar an 21 Tagen.

1998 stimmte das Repräsentantenhaus einem Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Clinton zu, wegen seiner Falschaussagen zu seiner außerehelichen Affäre. Sein Fehltritt war allerdings bei weitem nicht mit den gängigen Grundlagen für eine Amtsenthebung wie Hochverrat oder Korruption vergleichbar. Die Republikaner traten die demokratische Norm der institutionellen Zurückhaltung unverhohlen mit Füßen. Der Riss zwischen den Parteien verlief jetzt außerdem zunehmend entlang der Grenzen von Ethnizität und Religion.

Sinnbildlich dafür steht die Unterzeichnung des Bürgerrechtsgesetzes von 1964, die der demokratische Präsident Lyndon Johnson vorantrieb und die sein republikanischer Widersacher Barry Goldwater rundheraus ablehnte.
Ein Jahrhundert nach dem Bürgerkrieg hatte sich das Blatt gewendet. Die Demokraten wurden zur Partei der Bürgerrechtler, die Republikaner zu den reaktionären Hütern des Status quo. Die Afroamerikaner der Südstaaten nutzten ihr neues Wahlrecht und schlossen sich den Demokraten in Massen an. Auch die Zuwanderer der Immigrationswellen aus Lateinamerika wählten beinahe geschlossen demokratisch. So änderte sich die politische Landschaft in weniger als einem halben Jahrhundert dramatisch.

Verheiratete weiße Christen, die noch um 1950 rund 80 Prozent der stimmberechtigten US-Bevölkerung ausmachten und parteiübergreifend wählten, wurden bis 2000 zu einer Minderheit von 40 Prozent, die vornehmlich republikanisch wählte. Zum Zeitpunkt der Präsidentschaftswahl 2016 waren die zwei Parteien also entlang der Grenzen von Religion und Ethnizität gespalten. Die politische Stimmung war geradezu martialisch aufgeladen. Die Demokratie war so verwundbar wie schon seit langem nicht mehr.

Trump gefährdet die Demokratie und zeigt autokratische Tendenzen

Anfang 2018 stellen sich daher viele Menschen die Frage, wird Trump wirklich zum Diktator oder spuckt er nur weiter unkontrolliert große Töne? Hier zeigt der Vergleich mit den typischen drei Phasen der demokratischen Demontage, dass Trump sich bereits in mehrerlei Hinsicht autokratisch verhalten hat.

Er hat versucht, die Schiedsrichter gleichzuschalten. Gleich in seiner ersten Woche im Amt bestand Trump auf einem privaten Platz. Im Amt bestand Trump auf einem privaten Abendessen mit FBI-Chef James Comey. Dort bat er den Direktor der zentralen Sicherheitsbehörde des Landes, ihm Treue zu schwören. Als klar war, dass Comey dies nicht tun würde, wurde er gefeuert. Er hat auch versucht, Schlüsselspieler der Opposition auszuschalten.

Das gilt besonders für die Medien. Trump feuert seit seinem Amtsantritt regelmäßig Twitter-Tiraden und öffentliche Angriffe auf die Medien ab und beschuldigte unter anderem die New York Times und CNN, Fake News zu verbreiten. Und er hat versucht, die Spielregeln zu seinen Gunsten zu ändern. Er ist der erste Präsident der USA, der an der Integrität der Wähler zweifelt und sie durch eine eigene Beratungskommission untersuchen lässt.

Das Gremium soll strengere Gesetze zur Identifizierung erlassen, die die ethnischen Minderheiten in den USA ungleich härter treffen werden. Und die wählen wiederum mehrheitlich demokratisch.

Wie undemokratisch Trump noch werden wird, hängt von drei weiteren Faktoren ab;

  1. Von dem Verhalten der republikanischen Führer. Wie weit Trump gehen kann, hängt auch davon ab, ob sie ihm Paroli bieten oder weiter schweigen.
  1. Von der öffentlichen Meinung. Wenn die Beliebtheitswerte für den Präsidenten hoch sind, werden die Medien zahm. Selbst Richter und Oppositionelle lassen das Staatsoberhaupt dann leichter gewähren, was seine Macht vergrößert.
  1. Vom Eintreten innen- oder außenpolitischer Krisen. Wann immer die nationale Sicherheit zum Beispiel durch Terrorangriffe bedroht ist, ist der Handlungsspielraum der Regierung besonders groß. Nach den Angriffen vom September hatte George W. Bush nahezu freie Hand bei der Härte seiner Vergeltung. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Was also wird passieren? Wird die Trump-Administration ethnische Minderheiten sukzessive des Landes verweisen?
    Die Wahlbeteiligung so lange manipulieren, bis auf lange Sicht nur noch weiße und national-konservative Mehrheiten bestehen, die sich dann mit repressiver Polizeipräsenz abschirmen? Levitsky und Ziblatt halten dieses Horrorszenario für unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Genauso unwahrscheinlich erscheint es ihnen auch, dass Trump durch politische Fehler scheitert oder in einem Amtsenthebungsverfahren rausfliegt. Am wahrscheinlichsten ist eine Fortsetzung der Tendenz der 1990er Jahre, die schleichende Aufweichung und Verletzung jahrhundertealter demokratischer Normen.

Der einzig sinnvolle Weg des Widerstands gegen Autoritarismus ist der Respekt demokratischer Normen

Angesichts der eskalierenden Polarisierung in einer zunehmend ethnisch und kulturell diversen US-Bevölkerung wird der Schutz der Demokratie in Nordamerika zu einer schweren Aufgabe. Die Situation der USA ist auch repräsentativ für das, was derzeit in vielen westlichen Gesellschaften passiert.

Die wichtigste Botschaft lautet, die Aufgabe ist lösbar. Der erste Schritt besteht darin, Feuer nicht mit Feuer zu bekämpfen.
Nach dem frustrierenden Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2016 drängten viele Demokraten darauf, Trump mit mindestens genauso harten Bandagen zu bekämpfen.
Doch wütendes Gegenfeuer kann blind zünden und fehlschlagen. Die venezolanische Opposition zum Beispiel scheiterte 2002 mit einem zweimonatigen Generalstreik, der das Land Millionen kostete. Der Boykott der Parlamentswahl 2005 gab Chavez sogar die Legitimation, Schlüsselpositionen in der Polizei, Gerichten und dem Militär nach seinem Gusto neu zu besetzen.

Und selbst wenn harter Widerstand erfolgreich ist, kann er moderate Wähler abschrecken und die Opposition entscheidend schwächen. Republikaner und Demokraten in den USA müssen ihren gnadenlosen Grabenkampf stattdessen demokratisch beenden. Die Republikaner zum Beispiel könnten sich vom Dogma des weißen christlichen Nationalismus und ihrer radikal-neoliberalen Agenda distanzieren und so auch unter den Minderheiten Wähler werben. Die Demokraten für ihren Teil sollten ihren Kampf gegen die Ungerechtigkeit im Land weniger stark auf Bedürftigkeitsprüfungen stützen. Die Vergabe von Zuschüssen unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze gibt vielen Angehörigen der Mittelschicht das Gefühl, nur die Armen würden von der Sozialpolitik profitieren. Und da Armut und Ethnizität in den USA eng miteinander verknüpft sind, sorgt ein solcher Fokus nur für weitere Spannungen.

Die Politik sollte daher ganzheitlichere Modelle der Umverteilung anstreben, die auf einem fairen Zugang zu umfassender Krankenversicherung und gerechten Mindestlöhnen basieren. Selbst die empörtesten Proteste sollten letztlich auf demokratische Kooperationen abzielen, statt weiter zu spalten.
Wer nur pöbelt und polarisiert, verletzt das Prinzip der gegenseitigen Achtung. Die Anti-Trump-Bewegung zum Beispiel sollte sich über alle religiösen, ethnischen und sozioökonomischen Grenzen hinweg zusammenschließen, um Gemeinsamkeiten auszuloten und den Schutz der Demokratie über ihre Differenzen zu stellen.

Unternehmer und Bürgerrechtler zum Beispiel mögen nicht die typischen Verbündeten sein, aber beide haben ein Interesse am Widerstand gegen eine instabile Regierung, die die Regeln der Demokratie mit Füßen tritt. Am Ende liegt das Schicksal der Demokratie nämlich in unseren Händen.


Quelle: Steven Levitsky & Daniel Ziblatt – Wie Demokratien sterben und was wir dagegen tun können